Der Abschied von einem  Sterbenden

Wenn eine geliebte Person im Sterben liegt, treten bei den Angehörigen häufig ähnliche Gefühle wie bei dem Sterbenden auf. Die Emotionen setzen sich aus Hoffnung, Verzweiflung, Angst und Wut zusammen. Zum Teil will man als Angehöriger nicht einsehen und glauben, dass die Person bald sterben wird. Es entsteht ein Prozess der Verdrängung.

Zum anderen können die Angehörigen auch von Schuldgefühlen gegenüber der sterbenden Person geplagt werden. Sie werfen sich vor, dass sie den nahenden Tod nicht verhindern können oder nicht alles getan haben, um ihn zu verhindern.
In dieser Phase muss man irgendwann einsehen, dass man sich von der geliebten Person verabschieden muss. Doch der Abschied einer nahestehenden Person und auch die Trauer danach sind wahrlich keine einfachen Prozesse.

Emotionen zulassen – egal welche

Gefühle sind in solch einer Zeit wichtig. Man muss sie rauslassen und sollte sie nicht unterdrücken oder gar verdrängen. Das Wechselbad der Emotionen macht es einem nicht leicht, doch dies ist normal und muss akzeptiert werden.

Häufig werden Angehörige in solch einer Situation das erste Mal selbst mit dem Thema Tod konfrontiert. Man beginnt, über sein eigenes Leben nachzudenken und hinterfragt vieles. Für viele Menschen ist es schwierig, sich mit dem Thema Tod zu beschäftigen, da es oft vermieden und verdrängt wird. Der Tod ist etwas Abstraktes, was wir uns nicht vorstellen können oder wollen. Und doch holt er uns alle eines Tages zu sich.

Unterstützung suchen

In dieser Zeit des Abschiedes einer geliebten Person ist es wichtig, sich Unterstützung zu holen. Es hilft, mit nahestehenden Personen über seine Ängste, Sorgen und Gefühle zu sprechen. Auch externe Hilfe z.B. in Form eines Seelsorgers, Arztes oder Psychologen kann helfen.

Abschiednehmen als Entwicklungsprozess

Bei einigen kann diese Zeit des Abschiednehmens auch zu einer persönlichen Entwicklung führen. Wir öffnen uns gegenüber religiösen und spirituellen Themen: Das Leben wird hinterfragt und der Sinn über das Leben und Dasein, man fragt sich nach einem Leben nach dem Tod, ob man den Sterbenden irgendwann irgendwo wiedersehen wird, man denkt über das gemeinsame Leben mit der Person nach und was sich ändern wird, wenn diese nicht mehr da ist. Viele Gedanken entstehen, die zu ordnen sind.

Offene Gespräche führen

Der Sterbende selbst spürt meistens, wenn der Tod sich nähert. Viele Angehörige wissen oftmals nicht, wie sie den Sterbenden darauf ansprechen sollen oder ob sie es gar dürfen. Ein offenes, ehrliches Gespräch ist immer am besten in so einer Situation. Natürlich soll der Sterbende dabei nicht bedrängt werden, über seinen Tod sprechen zu müssen. Aber in einem offenen Gespräch kann zum einen gemeinsam über die Ängste gesprochen und der Abschied besser durchlebt werden. Zum anderen können auch wichtige Dinge geregelt werden: Seien es Aussöhnungen wegen vergangener Streits oder Dinge, die man schon immer loswerden wollte.

Auch formale Angelegenheiten, die geregelt werden müssen, können so besser besprochen werden: Wo will der Sterbende seine letzten Stunden verbringen, wie soll die Beerdigung sein, wer soll erben etc. Dies sind alles wichtige Aspekte, die, sofern sie nicht vorher geplant wurden, spätestens jetzt zur Sprache kommen müssen. Das offene Gespräch führt bei beiden zur Erleichterung und die Wünsche des Sterbenden können so besser berücksichtigt werden.

Loslassen und sich verabschieden

Jeder Mensch geht mit seinem Tod anders um. Einige finden ihren Frieden und sind bereit zu gehen, sie lassen los. Andere wehren sich bis zur letzten Sekunde noch gegen den Tod. Oftmals ist es aber so, dass Sterbende bereit sind zu gehen, doch die Angehörigen sind es nicht. Man sollte sich dann nicht am Sterbenden festklammern, so schwer es auch fällt. Man muss ihn loslassen und ihn verabschieden, auch wenn dies nicht leichtfällt.

Die Trauer nach dem Tod

Auch wenn man sich lange auf den Tod vorbereiten kann und es meistens auch hat, löst das tatsächliche Versterben der geliebten Person heftige Gefühle bei den Hinterbliebenen aus. Oft will man nicht wahrhaben, dass der Verstorbene wirklich tot ist und befindet sich in einem Schockzustand. Viele Menschen durchlaufen dabei sogenannte «typische Trauerphasen» die wie folgt ablaufen:

  • Phase 1:
    Man will es nicht wahrhaben, dass die Person tot ist. Man steht unter Schock, zum Teil verleugnet man den Tod auch und denkt, die Person ist nicht tot, sondern wird wieder zurückkehren. Man kann es nicht glauben und reagiert zum Teil mit sehr heftigen Emotionen.
  • Phase 2:
    Gefühlsausbrüche: In dieser Phase durchläuft der Angehörige viele verschiedene Gefühle. Angst, Verzweiflung, Hilflosigkeit und vor allem Einsamkeit sind hier sehr starke Gefühle, die sich auftun. Oft kommt auch Wut dazu, und die Hinterbliebenen sind sowohl auf sich selbst, als auch auf den Verstorbenen wütend, dass er nun nicht mehr da ist. Hinzu kommen Schuldgefühle, man macht sich selbst für den Tod verantwortlich oder fragt sich, warum man diesen nicht aufhalten konnte. Diese Phase der starken Gefühle wird oft von körperlichen Beschwerden begleitet, denn die Psyche wirkt sich auch auf den Körper aus. So können u.a. Appetitlosigkeit, Gefühle eines «Zugeschnürtseins» oder Nervosität auftreten.
  • Phase 3:
    Langsame Akzeptanz: Allmählich wird der Tod des Verstorbenen akzeptiert und es beginnt eine Neuorientierung. Der Hinterbliebene fängt wieder an, gewohnten Aktivitäten nachzugehen oder fängt mit ganz neuen an und startet so eine Art Neuanfang.
  • Phase 4:
    Der Hinterbliebene findet allmählich seine innere Balance zurück, sieht wieder einen Sinn im Leben, den er vorher nicht sah. Er sieht in die Zukunft und nicht mehr in die Vergangenheit. Er ist mit sich im Reinen.

Jeder Mensch trauert anders

Natürlich können diese Trauerphasen bei jedem anders auftreten und müssen schon gar nicht in exakt dieser Reihenfolge ablaufen. Jeder trauert anders, bei manchen werden sich die Phasen vermischen oder ganz ausbleiben. Dies hängt auch immer von der individuellen Beziehung zu der verstorbenen Person, dem eigenen Charakter und der eigenen Art zu trauern ab. Es gibt also so gesehen keine Regeln, wie man trauert oder nicht.

Jeder benötigt seine eigene Zeit

Genauso steht es um die Zeit der Trauer. Auch diese ist bei jedem anders und kann nicht verallgemeinert festgeschrieben werden. Jeder braucht seine eigene Zeit, um den Tod zu akzeptieren. Und man sollte sich auch bewusst genug Zeit nehmen. Wenn man gerne wieder mit dem Alltag und der Arbeit beginnen möchte, aber merkt, dass es einfach nicht geht, dann muss man dies akzeptieren und sich die Zeit nehmen.

Trauern ist wichtig

Schon gar nicht sollte man sich von anderen beeinflussen lassen, auch wenn diese es gut meinen. Keiner kann einem sagen oder vorschreiben, wie lange man trauern darf und wie lange es dauert, bis man den Tod akzeptiert und wieder zu seinem eigenen Leben zurückkehren kann. Sich seine eigene Zeit zu nehmen ist sehr wichtig, denn der Trauerprozess hilft, den Tod irgendwann zu akzeptieren und wieder nach vorne zu schauen und mit seinem Leben weiterzumachen.

Für die Trauerbewältigung ist es daher wichtig, seine Trauer nicht zu verdrängen, sondern zu durchleben und seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Wenn man gar nicht mehr weiter weiss, muss man sich Hilfe bei Freunden und Verwandten oder Psychologen und Seelsorgern holen. Auch dies ist völlig legitim und oftmals auch nötig, denn so nahe einem Verwandte oder Freunde auch stehen, so kann doch nicht jeder mit dem Tod und trauernden Personen richtig umgehen.

Mit der Trauer umgehen

Manchmal helfen ein paar Ratschläge, um besser mit der Trauer umgehen zu können. Was davon funktioniert, ist natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich und muss jeder für sich selbst ausprobieren.

  • Sich erlauben, zu trauern:
    Lassen Sie Ihre Gefühle zu, egal wie wechselhaft diese sein mögen. In der Trauerzeit können Ihre Gefühle verrückt spielen und Sie könnten denken, dass manche Gefühle nicht richtig oder unangebracht sind. Lassen Sie diese Emotionen zu, seien Sie nicht zu streng zu sich selbst. Dies ist ein Ausnahmezustand und genauso dürfen Sie sich auch fühlen.
  • Hilfe holen:
    Freunde, Verwandte, generell nahestehende Personen können eine grosse Hilfe sein. Wenn Sie Redebedarf haben, sprechen Sie mit diesen Personen über Ihre Gefühle und Ihre Trauer. Wenn nahestehende Personen aus dem Freundes- und Familienkreis Ihnen nicht helfen können oder sich mit dem Thema schwertun, gibt es auch externe Hilfe. Ärzte, Seelsorger, Psychologen oder Trauerseminare helfen, die Trauer zu verarbeiten, wenn Freunde nicht mehr weiterwissen.
  • Strukturierte Tagesabläufe:
    Ein geplanter Tag mit täglichen Terminen, denen Sie nachgehen müssen, hilft ungemein, um wieder in den Alltag zurückzufinden und sich ein wenig abzulenken. Sei es nur das tägliche Aufstehen um die selbe Zeit, die tägliche Mahlzeit um 12 Uhr mittags oder ein täglicher Spaziergang. Rituale beruhigen uns und helfen, einen Sinn im Leben zu finden. Und genau diesen benötigen Sie jetzt. Wenn es Ihnen irgendwann bessergeht, können Sie die täglichen Aufgaben und Rituale auch ausweiten (z.B. wieder zur Arbeit gehen, ein Hobby beginnen o.ä.).
  • An schwierigen Tagen Gesellschaft suchen:
    Wenn Ihnen z.B. der Todestag des Verstorbenen bevorsteht, planen Sie rechtzeitig, an diesem Tag nicht alleine zu sein. Besuchen Sie nahestehende Personen und sprechen Sie sich aus an diesen schweren Tagen.
  • Weg von der Einsamkeit:
    Neue Menschen kennenzulernen, auch solche, die sich in einer ähnlichen Situation wie Sie befinden, kann ungemein helfen. Wenn Sie sich z.B. mit Menschen eines Vereins, für den Sie ehrenamtlich tätig sind oder einer Selbsthilfegruppe vernetzen, können die Menschen dort Ihnen das Gefühl der Einsamkeit nehmen oder verringern. Auch Haustiere können das einsame Leben deutlich bereichern und helfen, die Stille der Einsamkeit zu beseitigen. Zudem tragen Sie dann auch eine Verantwortung und müssen sich um etwas kümmern, was wiederum zu einem strukturierteren Tag führt.
  • Sich «schlimme» Gedanken verzeihen:
    In Zeiten der Überforderung, als die geliebte Person im Sterben lag, hatte man manchmal Gedanken, die man hinterher sehr bereut und als schlimm erachtet. Wenn die Pflege z.B. so kräftezehrend war oder man einfach nicht mehr weiter wusste, dachte man vielleicht Dinge, die man eigentlich nicht so meinte. Verzeihen Sie sich diese Gedanken, sie sind in diesen Ausnahmezuständen normal und waren nicht von Ihnen beabsichtigt.
  • Sich das Glücklichsein erlauben:
    Oftmals denken Trauernde, sie dürften nicht mehr glücklich sein, jetzt, wo die geliebte Person weg ist. Doch es ist wichtig und richtig, wieder glücklich zu werden. Die verstorbene Person hat nichts davon, wenn Sie Ihr Leben lang unglücklich bleiben und das hätte sie auch sicherlich nicht gewollt. Also lassen Sie das Glücklichsein zu, lachen Sie auch mal wieder, wenn Ihnen danach ist und verbieten Sie es sich nicht. Machen Sie sich nach und nach selbst ein paar Freuden, z.B. mit schönen Blumen oder einer Massage, die Sie sich gönnen.

Das Leben geht weiter – auch wenn es schwer vorstellbar ist

Jeder Mensch trauert anders und jeder Mensch benötigt dafür seine eigene Zeit. Vor allem Kinder, die trauern, brauchen oft besondere Zuwendung, denn sie können vieles noch nicht begreifen und haben häufig starke Schuldgefühle. Offene Gespräche sind immer wichtig, egal ob bei Kindern oder Erwachsenen, die trauern.

Nehmen Sie sich Ihre eigene Zeit und lassen Sie Ihre Gefühle zu, auch wenn diese Sie verwirren und sehr wechselhaft sein mögen. Unterstützung von Freunden und nahestehenden Personen ist immer wichtig und kann Ihnen in vielen Situationen helfen. Wenn Sie nicht mehr weiterwissen und keinen zum Reden haben, gibt es viele Beratungsstellen und Trauerseminare, die Ihnen weiterhelfen können.
Irgendwann werden Sie den Tod akzeptiert haben und Ihr Leben weiterleben können – auch wenn dies jetzt vielleicht noch nicht vorstellbar ist.