Viele Eltern versuchen, ihren Kindern die eigene Trauer zu verheimlichen oder ihnen zu verschweigen, wenn eine nahestehende Person verstorben ist. Sie wollen die Kinder mit diesem Thema nicht belasten. Doch Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt und wollen wissen, was passiert ist. Kinder trauern ebenso wie Erwachsene und müssen ihre Trauer verarbeiten. Dies passiert häufig auf andere Art und Weise als bei Erwachsenen.

Seinen Kindern einen Todesfall oder die eigene Trauer zu verheimlichen und so zu tun, als sei alles in Ordnung, kann die Entwicklung eines Kindes nachhaltig stören. Doch wie genau erklärt man einem kleinen Kind beispielsweise, dass der Opa verstorben ist und nicht mehr wiederkommt?

Frühe Konfrontation mit dem Tod

Die meisten Kinder werden schon früh, häufig im Alltag, mit dem Tod konfrontiert. Sei es, weil sie tote Insekten sehen, ein Haustier verstorben ist, oder weil in einem Märchen oder Film jemand stirbt. Sie verstehen aber häufig nicht, was das bedeutet. Der Tod ist für sie nicht greifbar. Sie denken, die tote Person lebt trotzdem genauso weiter, isst, schläft und arbeitet, aber eben nur woanders (z.B. im Himmel). Kinder verstehen meistens auch nicht, dass der Körper nicht mehr weiter arbeitet und dass der Tod jedem passieren kann, auch ihnen selbst. Das Verständnis ist dafür noch nicht gross genug im Kleinkindalter.

Unterschiedlichste Reaktionen auf den Tod

Wenn Kinder mitbekommen, dass ihre Eltern traurig sind oder sich anders verhalten, kann die Reaktion sehr unterschiedlich ausfallen. Auch wenn die Eltern dem Kind erklären, dass jemand gestorben ist, reagiert jedes Kind anders, manchmal auch extrem.

Vermehrtes Klammern oder neue Ängste

Einige Kinder klammern beispielsweise extremer als sonst, da sie Angst haben, die Eltern könnten ebenfalls sterben und einfach weg sein. Andere haben auf einmal Angst zu gewohnten Orten zu gehen oder verfallen wieder in die Babysprache, die sie eigentlich abgelegt hatten.

Wut und Aggression ist keine Seltenheit

Auch Wutausbrüche können eine Reaktion auf den Tod sein. Meistens ist dies eine Reaktion auf die Spannung oder das veränderte Verhalten zuhause. Vielleicht möchte das Kind damit auch einfach zeigen, dass es mehr Aufmerksamkeit braucht und es nicht möchte, dass alle nur mit sich selbst beschäftigt und traurig sind.
Es möchte verstehen, warum die Erwachsenen so traurig sind und die tägliche Routine sich verändert hat. Damit umzugehen, ist für Kinder sehr schwierig. Es kann auch sein, dass das Kind aggressiv gegenüber den Eltern oder sogar gegenüber der verstorbenen Person wird, weil diese in seinen Augen «Schuld» ist, dass alle so traurig sind.

Auch die eigene Trauer kann sich in vielfältigen Reaktionen ausdrücken, da das Kind mit diesen Gefühlen zum ersten Mal konfrontiert wird und nicht weiss, wie es damit umgehen soll.

Makaberes Verhalten

Manche Kinder verarbeiten den Tod und die Trauer auch, indem sie den Tod selber nachspielen. Auch wenn das für die Eltern oder Verwandte makaber erscheint und sie traurig macht, sollten sie diese Verhaltensweise dennoch zulassen. Das Kind verarbeitet auf diese Weise die Geschehnisse. Wenn es dafür bestraft wird, kann es seine Denkweise über den Tod sehr verändern. Die grösste Gefahr ist dann, dass das Kind in seiner weiteren Entwicklung den Tod extrem tabuisiert und vermeidet, jemals darüber zu sprechen bzw. sich selbst damit zu konfrontieren.

Grosse Neugierde

Kinder können auch sehr neugierig sein, wenn jemand verstorben ist. Sie stellen viele direkte Fragen zum Tod und zu dem, was passiert ist. Sie brauchen die Antworten darauf, um verstehen zu können, warum alle traurig sind. Die Eltern sollten die Fragen auch beantworten und dem Kind versuchen zu erklären, was geschehen ist. Kinder kennen kein natürliches Taktgefühl oder Zurückhaltung, daher kann es sein, dass auch unangenehme Fragen gestellt werden. Dennoch sollten die Eltern hier versuchen, dem Kind so gut es geht, seine Fragen zu beantworten. Nur so helfen sie ihm, den Tod verstehen zu können.

Kinder verarbeiten Trauer in kleinen Schritten

Erwachsene verarbeiten ihre Trauer deutlich schneller als Kinder. Bei Kindern findet die Verarbeitung der Trauer in kleinen Portionen statt. Eigene Gefühle und die Informationen von aussen – all dies braucht Zeit, verstanden und verarbeitet zu werden. Manchmal verschieben sich die Gefühle derartig, dass die richtige Trauer erst nach Monaten oder Jahren bei dem Kind ersichtlich wird.

Wie erklärt man kleinen Kindern den Tod?

Natürlich bleibt es jedem selbst überlassen, wie er seinem Kind das Thema Tod näherbringt. Dennoch gibt es ein paar Ratschläge, die es den Eltern und auch den Kindern leichter machen können, dieses abstrakte Thema zu verstehen und zu verarbeiten.

Fragen zulassen

Wie bereits gesagt, neigen viele Kinder dazu, sehr viele Fragen zu stellen. Das ist ganz natürlich, denn Kinder lernen die Welt ja erst kennen und wissen vieles noch nicht, was für uns selbstverständlich ist. Da der Tod für sie nur schwer vorstellbar ist, benötigen sie diese Fragen, um ein wenig besser zu verstehen, was der Tod bedeutet. Die Eltern sollten die Fragen beantworten und sich dem Thema in nicht zu emotionalen Momenten annähern. Dies funktioniert zum Beispiel mit Hilfe von Büchern sehr gut. Es gibt viele Kinderbücher, die den Tod thematisieren und den Kindern die Bedeutung näher bringen.

Höchstwahrscheinlich wird das Kind immer wieder nachfragen und auch oft die gleichen Fragen mehrmals stellen. Auch wenn das für die Eltern manchmal anstrengend ist, sollten die Fragen beantwortet werden. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema hilft auch bei der Trauerverarbeitung von Eltern und Kind.

Nicht zu kompliziert und detailliert erklären

Kleine Kinder können zu komplexe und detaillierte Informationen nicht aufnehmen. Daher ist es ratsam, den Tod möglichst einfach zu erklären. Die Eltern können beispielsweise sagen, dass der Körper von Opa nicht mehr funktioniert («Opa kann nicht mehr gehen, schlafen und essen. Sein Herz schlägt nicht mehr. Aber er hat keine Schmerzen.»). Das versteht das Kind. Eine komplizierte Krankheit wie Krebs zu erklären, ist keine gute Idee, denn das wird das Kind nicht verstehen.

Genauso verhält es sich auch mit der Todesursache. Auch hier sollte möglichst einfach der Grund genannt werden («Opa war alt und sein Herz hat aufgehört zu schlagen.»).

Eigene Gefühle zeigen

Wie eingangs erwähnt, spüren Kinder, wenn etwas nicht stimmt und die Eltern traurig sind. Man sollte immer ehrlich zu den Kindern sein und seine Gefühle nicht unterdrücken. Das Kind muss wissen, dass die Eltern auch mal weinen und traurig sind. «Mama vermisst Opa ganz fest», kann da schon genügen, um dem Kind klarzumachen, warum die Mama gerade weint. Auf keinen Fall sollten die eigenen Gefühle unterdrückt oder gar vor dem Kind verheimlicht werden. Im schlimmsten Fall könnte das Kind denken, es sei Schuld an der Traurigkeit der Eltern oder es habe etwas falsch gemacht. Ehrlichkeit ist hier immer der richtige Weg.

Keine beschönigenden Worte benutzen

Euphemismen wie «Opa ist für immer eingeschlafen» oder «Opa ist fortgegangen» sollten vor dem Kind vermieden werden. Diese beschönigenden Worte können das Kind sehr verwirren. Es könnte sonst die Gefahr bestehen, dass das Kind fortan Angst vor dem Schlafen hat, da es vermutet, es könnte dann auch sterben. Oder es möchte nicht mehr, dass die Eltern zur Arbeit fortgehen, da diese dann ja auch sterben könnten. Lieber auf einfache Weise erklären, dass Opa gestorben ist und sein Körper nicht mehr funktioniert.

Beschreibungen mit dem Himmel und Gott sind ebenfalls mit Vorsicht zu geniessen. Natürlich kommt es darauf an, wie religiös die Familie ist und woran sie glaubt. Aber Aussagen wie «Gott holt nur die Besten zu sich in den Himmel» können ebenfalls für Verwirrungen bei dem Kind sorgen. Es könnte sich als Konsequenz fortan besonders gut oder besonders schlecht verhalten, damit oder damit es eben nicht «von Gott geholt» wird. Diese Aussagen können Kindern also eher Angst machen, als dass sie helfen.

Das Kind beruhigen und Sicherheit geben

Kinder denken häufig, dass sie etwas Falsches gesagt oder getan haben und deshalb nun der Opa tot ist. In den Augen von Kindern dreht sich die ganze Welt nur um sie, deshalb fühlen sie sich oft verantwortlich. Hier hilft es, wenn die Eltern ihnen diese Angst nehmen, dem Kind versichern, dass es nichts dafür kann und ihm ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln.

Gut ist es, dem Kind immer wieder zu sagen, dass man es beschützt und alles in Ordnung ist. Es braucht keine Angst zu haben, dass Mama und Papa nun auch sterben oder es selbst.

Routine gibt dem Kind ein Gefühl der Sicherheit. Daher ist es sinnvoll, die tägliche Routine nicht zu unterbrechen, das Kind weiterhin in den Kindergarten zu bringen, zu den festen Zeiten zu essen und es pünktlich ins Bett zu bringen. Diese Routine zeigt dem Kind, dass alles in Ordnung ist und es keine Angst haben muss.

Dem Verstorbenen gedenken

Es ist nicht verkehrt, das Kind mit zur Beerdigung oder zum Friedhof zu nehmen, damit es weiss, wo es Opa verabschieden oder besuchen kann. Durch die Beerdigung begreifen Kinder auch viel schneller, was der Tod bedeutet. Sie spüren die Trauer der Erwachsenen und merken, dass hier nochmal ein Abschied stattfindet. Das gemeinsame Verabschieden zeigt dem Kind, dass der Opa nicht einfach so verschwunden ist. Zudem spendet die Unbefangenheit von Kindern bei Beerdigungen den Erwachsenen auch häufig viel Trost.

Tod von Haustieren ernst nehmen

Für viele Kinder ist der Tod des Haustieres die erste Konfrontation mit dem Tod, dies kann sie sehr erschüttern und traurig machen. Zudem sind die Haustiere auch oft die ersten Kontakte für die die Kinder eine grosse Liebe und Freundschaft empfinden. Daher sollte der Tod eines Haustieres genauso ernst genommen werden, wie der Tod einer nahestehenden Person. Hier kann ebenfalls eine Beerdigung organisiert werden, das Kind kann ein Bild malen und sich so auch nochmal verabschieden und die Eltern können intensiv mit dem Kind über den Tod des Haustieres sprechen. Wenn gemeinsam um das Haustier getrauert wird, verstehen die Kinder den Tod häufig schon früher und können diese Gefühle später auch auf einen anderen Todesfall übertragen.

Niemand ist perfekt

Die Eltern müssen nicht verzagen, wenn sie mal eine Frage des Kindes nicht beantworten können oder die Kraft dazu fehlt. In der Trauerphase ist es völlig normal, dass man irgendwann mal nicht mehr kann. Dies sollte dem Kind auch gezeigt und gesagt werden, beispielsweise mit Worten wie «Mama kann dir darauf gerade keine Antwort geben, weil sie selbst so traurig ist.» Das wird das Kind verstehen. Eine Frage falsch beantworten kann man eigentlich nicht. Das Kind wird so viele Fragen immer wieder stellen, dass es nicht schlimm ist, mal nicht die «beste» Antwort zu finden.

Wenn die Kraft deutlich fehlt und man sich gerade nicht mit dem Kind über das Thema auseinandersetzen kann, können sich die Eltern an Verwandte und Freunde wenden und diese um Unterstützung bitten. Keiner muss so eine schwere Phase alleine durchstehen.