Der Tod eines geliebten Menschen ist das Schlimmste, was man sich vorstellen kann und niemand ist davor geschützt, diese schreckliche Erfahrung machen zu müssen. Wo die Gefühle bei einem natürlich eintretenden Tod oder einem Tod durch Krankheit bereits diffus und unbeschreiblich schlimm sind, sind sie es bei einem Tod durch Suizid noch vielschichtiger.

Angehörige eines Suizidenten verspüren sehr häufig eine tiefe Scham, sind peinlich berührt, haben Schuldgefühle oder sind wütend. Hinzu kommt, dass die Gesellschaft Suizid häufig leider immer noch als Tabu oder eine Sünde ansieht und der Umgang mit diesem Thema daher schwierig ist. Vor allem für die Angehörigen.

Unzutreffende Bezeichnungen

In der deutschen Sprache wird Suizid auch mit den Begriffen «Freitod» oder «Selbstmord» bezeichnet. Beide erscheinen aber unpassend, denn Suizidenten fühlen sich meist nicht «frei» in ihrer Entscheidung, sich das Leben zu nehmen. In dem Moment, in dem sie sich für ihren Tod entscheiden, sehen sie keine andere Lösung.

Im angelsächsischen Raum wird mit der Begrifflichkeit anders umgegangen. Hier heisst Suizid «death by suicide» und reiht sich damit den anderen Todesursachen wie z.B. «Death by cancer» (Tod durch Krebs) ein. In unserem Sprachgebrauch grenzen wir hingegen bewusst den Selbstmord, Freitod oder Suizid vom natürlichen Tod ab.

Suizid als Tabu in der Gesellschaft – weitreichende Geschichte

Der Suizid wird heutzutage immer noch häufig tabuisiert und die Suizidenten stigmatisiert. Wenn man auf die Geschichte zurückschaut ist dies kaum verwunderlich. Denn bereits im Mittelalter verbannte man die Angehörigen von Suizidenten oder enteignete sie. Es war eine familiäre Schande, wenn sich jemand selbst das Leben nahm. Dementsprechend verschwieg oder verleugnete die Familie häufig einen Suizid vor der Gesellschaft. Auf den Friedhöfen wurden Suizidtote zudem lange Zeit auf einem Extra-Platz abseits von den anderen Toten begraben, da diese von der Kiche geächtet wurden. Es gab weder eine Zeremonie noch läuteten die Kirchenglocken für die Suizidtoten.

Grund für diese offenkundige Herabwürdigung war von Seiten der Gläubigen, dass sich der Mensch in dessen Augen über Gott stellte. Eine «Anmassung über das Leben» würde nur Gott zustehen und nur er könne entscheiden, wenn es zu Ende geht. Somit deklarierte man Suizidtote zu Ungläubigen. Denn immerhin war in ihren Augen das Leben das «höchste Gut», das man hat und man nicht einfach beendet. Suizid war damals eine Sünde und Schandtat.

Heutige Tabuisierung häufig noch vorhanden

Mittlerweile ist es glücklicherweise nicht mehr so, dass Suizidtote auf einem anderen Friedhof begraben werden, keine Zeremonie erhalten oder die Angehörigen geächtet und verbannt werden. Allerdings ist es leider nach wie vor in der Gesellschaft spürbar, dass Suizid häufig nicht offen angesprochen wird, sondern verschwiegen. Angehörige schämen sich oftmals, die Todesursache zu nennen und haben das Gefühl, sie würden von der Gesellschaft anders behandelt werden, wenn diese von dem Suizid erfahren.

Durch die Tabuisierung wird Suizid zu einem Thema, über das kaum gesprochen wird und das dadurch auch die Suizidprävention verhindert. Denn wenn sich Menschen und vor allem Angehörige dafür schämen, dass ein Familienmitglied diesen Weg des Todes gewählt hat, dann wird es auch weiterhin als etwas angesehen, über das man nicht spricht und was sich nicht gehört.

Dieses Thema zu verschweigen hilft niemandem weiter, stattdessen sollte offen darüber gesprochen werden und die Beweggründe des Suizidenten herausgefunden werden.

Gesellschaft fühlt sich provoziert

Die Gesellschaft fühlt sich durch Suizidtote oft schuldig und gleichzeitig auch provoziert. Denn viele Menschen sind der Meinung, dass sich jedes Problem irgendwie lösen liesse und dass man es sich so gesehen sehr einfach mache, indem man sich das Leben nehme. Zudem trotze man mit einem Suizid den Toten, die sich ihren Tod nicht frei ausgewählt haben, sondern aufgrund einer Krankheit oder Unfalles oder anderer Gründe gestorben sind.
Was Menschen, die derartig denken, dabei vergessen: Nicht jeder Mensch sieht einen Ausweg oder eine Lösung für sein Problem. Es gibt Menschen, die seelisch schwach sind, die psychisch krank sind oder keine sozialen Kontakte haben, die ihnen helfen können. Sie sehen tatsächlich keine andere Lösung, als den selbst gewählten Tod. Damit möchten sie niemanden provozieren, sondern ihrem Leiden ein Ende bereiten. Es genügt also nicht, nur in die eine Richtung zu denken. Sich in Suizidtote hineinzuversetzen ist schwierig, aber es kann helfen, die Beweggründe etwas besser nachzuvollziehen.

Wie Angehörige sich fühlen

Durch eben diese Haltung, die viele Menschen in der Gesellschaft noch immer einnehmen, haben Angehörige von Suizdenten häufig Probleme. Sie beschreiben die Reaktionen ihnen gegenüber als anders, als bei anderen Todesursachen. Oftmals merken sie, sobald sie die Todesursache ausgesprochen haben, wie Menschen äusserlich wie innerlich zurückweichen, Sprachlosigkeit sich breit macht, oder gar der Kontakt plötzlich gänzlich abgebrochen wird. Plötzlich kommen dann da keine mitfühlenden Worte mehr, sondern das Gegenüber weiss nicht, was er dazu sagen soll. Das ist für die Angehörigen sehr unangenehm und schwierig zu handhaben, da ja die Trauer um den geliebten Menschen ohnehin schon alles schwierig macht.

Zudem treten ungewohnte Situationen, wie der Kontakt zu Polizei und Staatsanwaltschaft auf. Bei einem Suizid muss man immer zunächst klären, ob nicht doch ein Fremdverschulden vorliegt. Erst wenn diese Vermutung verneint wird, ist die Bestattung freigegeben. Der Angehörige fühlt sich auf einmal auf eine Art schuldig, obwohl er nichts für den Tod kann.

In dieser Ausnahmesituation können alle möglichen Gefühle auftreten: Wut, Aggression, Schock, Ohnmacht und Scham sind die häufigsten.

Scham bewirkt Rückzug

Das Gefühl der Scham, das die Angehörigen jetzt häufig befällt, bewirkt einen inneren wie äusseren Rückzug. Denn Scham ist ein Schutzmechanismus, der uns hilft, etwas nicht auszusprechen oder zu tun. Doch mit der Scham machen wir alles viel schlimmer. Es hilft nicht, den Suizid zu verschweigen und zu hoffen, dass dadurch das Gefühl der Scham verschwindet.

Es ist wichtig, diese Todesursache auszusprechen. Sowohl vor sich selbst, als auch vor anderen. Der Angehörige kann nichts dafür und muss sich nicht schuldig oder peinlich berührt fühlen. Der Tod durch Suizid ist genauso schlimm und schrecklich wie der Tod durch eine andere Todesursache. Offenheit ist hier, auch wenn es schwer fällt, die beste Wahl.

Sollten andere Menschen einen meiden, nachdem man ihnen von dem Suizid erzählt hat, dann ist es wichtig, diese direkt darauf anzusprechen. Offenheit und Ehrlichkeit hilft meistens, Dinge zu klären. Vielleicht wissen diese Menschen nur einfach nicht, wie sie damit umgehen sollen oder was sie sagen sollen.

Soll man den Kinder davon erzählen?

Eltern oder Angehörige wollen die Kinder meist schützen, indem sie ihnen nicht von der Todesursache oder dem Tod generell erzählen. Doch Kinder sind neugierig und spüren vor allem oft, wenn etwas nicht stimmt oder verschwiegen wird. Und je länger etwas verschwiegen wird, umso schwerwiegender kann später die Offenbarung im jugendlichen Alter wirken.

Es ist sicherlich ratsam, den Kindern mit einfachen Worten und auf schonende Weise zu erklären, was passiert ist und wie der geliebte Mensch verstorben ist. Natürlich möchte man dem Kind nur ungern erzählen, dass er sich umgebracht hat.

Aber nur so erfährt das Kind die vollständige Wahrheit und kann Fragen dazu stellen. Auch für das Kind ist es nämlich wichtig, die Trauer zu verarbeiten. Das gelingt aber nur, wenn alle Fragen beantwortet sind und es offen und ehrlich weiss, was passiert ist.

Dabei ist es wichtig zu betonen, dass bei dem übriggebliebenen Elternteil oder Angehörigen weiterhin ein grosses Vertrauen ins Leben besteht. Nur so kann man verhindern, dass das Kind nicht Angst um den hinterbliebenen Elternteil hat, er könnte sich ebenfalls das Leben nehmen.

Die Trauer wird helfen

Auch wenn es sich im Moment noch unvorstellbar anfühlt: Die Trauer wird dafür sorgen, dass es den Angehörigen irgendwann wieder besser geht. Auch wenn viele diffuse Gefühle in den Trauerphasen vorhanden sind, so ist es wichtig, diese zuzulassen und zu durchleben. All diese Emotionen helfen dabei, die Trauer um den geliebten Menschen besser zu verarbeiten.