Der Tod ist in unserer Gesellschaft ein Thema, das von Trauer und Stille gekennzeichnet ist. Wir tragen schwarz, weinen, leiden und sprechen nicht viele Worte in dieser schweren Zeit.
In vielen Kulturen und Ländern wird mit dem Tod anders umgegangen. Heute soll es um Westafrika gehen, denn in dieser Kultur wird der Tod, wie auch das Leben, gefeiert. Bei uns ist der Tod häufig noch ein Tabuthema – man weiss, dass der Tod allgegenwärtig ist und jeder von uns eines Tages sterben muss – und doch spricht man ungerne darüber und beschäftigt sich nur wenig mit diesem Abschnitt des Lebens.
Farbe, Musik, Essen & Tanz
Ganz anders in Westafrika: Hier wird der Tod von bunten Farben, Gesang, Essen, Musik und Tanz begleitet. An den Strassen gibt es Todesanzeigen in Form von riesigen Plakaten, die eher an ein Werbeplakat als an eine Todesanzeige erinnern.
Todesfeiern sind heiter und fröhlich und erstrecken sich oft über mehrere Tage lang. Jeder aus dem Dorf oder Ort kommt zur Feier, begleitet sie und leistet seinen Beitrag. So kann es schnell passieren, dass über 100 Gäste daran teilnehmen.
Rituelle Trauer
Doch auch hier bedeutet das Versterben einer Person zunächst einmal Trauer. Jedoch handelt es sich hier hauptsächlich um rituelle Trauer und Tränen. Die verstorbene Person wird gefeiert und geehrt, deshalb ist die Stimmung fröhlich.
Tod heisst Wiedergeburt
Der Tod wird in Afrika anders betrachtet als hier. Unabhängig von der Religion, sind die meisten Afrikaner (und vor allem die Voodoo-Anhänger) davon überzeugt, dass die Person nicht wirklich stirbt, sondern nur ihr Körper nicht mehr weiterlebt. Sie glauben an Reinkarnation, an Wiedergeburt.
Der Geist der Person ist in ihren Augen allgegenwärtig. Ob in Form von Wind zwischen den Bäumen oder als Wasser im Fluss: Die verstorbenen Personen sind nicht wirklich tot, sondern in einer anderen Form wiedergeboren. Daher ist die Trauer auch nicht so gross, wie sie es bei uns ist. Denn die geliebte Person lebt ja weiter und ist immer noch da.
Aus diesem Grund werden auch oft rituell Fingernägel oder Haare der verstorbenen Person bestattet, da diese in den Augen der Afrikaner Teile des Körpers sind, die nach dem Tod noch weiter wachsen.
Die Angst vor bösen Geistern
Wenn jemand dort verstirbt, dann nicht, weil er eine Krankheit oder anderes Leiden hatte – der Tod wird hier als böser Geist interpretiert. Die meisten Westafrikaner glauben nicht an den natürlichen Tod. Es sind die bösen Geister, die die Person befallen und zum sterben bringen. Dementsprechend herrscht eine grosse Angst vor bösen Geistern und Hexen in dieser Kultur und der Tod wird durch diese Interpretation nicht rational erklärt.
Aber diese Sichtweise hat auch ihr Gutes: Wenn die geliebte Person tot ist, kann sich ihr Geist an ihrem «Mörder», dem bösen Geist, rächen. So wird dann auch gleich Vergeltung für den Tod geübt und der tote Geist ist in seinem Leben nach dem Tod wieder glücklich.
Vermeidbare Todesfälle
Die Kehrseite dieser Sichtweise ist leider der nicht vorhandene Glaube an Krankheiten. Todkranke Menschen werden oft viel zu spät ins Krankenhaus gebracht, da ja die bösen Geister schuld daran sind, dass es ihnen schlecht geht. Viele Afrikaner glauben nicht daran, dass ein normaler Arzt die kranken Personen heilen kann, dies kann nur ein Voodoo Zauberer/Heiler.
Ablauf einer Trauerfeier in Westafrika
Eine «typische» Trauerfeier beginnt in Westafrika oftmals schon am Donnerstagabend. Die meisten Trauerfeiern werden am Wochenende gefeiert, da so mehr Gäste an der Zeremonie teilnehmen können. Anders als bei uns, können zwischen dem Tod und der Trauerfeier mehrere Wochen liegen, denn der Tote erhält seine Trauerfeier zunächst zuhause und dort muss er oft erst einmal hintransportiert werden. Die Trauerfeier muss zuhause beginnen, da der Geist des Verstorbenen sonst am nächsten Tag nach der Beerdigung nicht mehr zu sich nachhause könnte.
Totenwache
An dem Donnerstag hält meist ein enger Angehöriger Totenwache, bis am nächsten Tag die Feier beginnt, an dem die Aufbahrung des Toten in einem offenen, mit bunten Tüchern geschmückten Sarg erfolgt. Alle Angehörigen, Familie und Freunde sowie Bekannte kommen an den Sarg, um sich von dem Verstorbenen zu verabschieden.
Leichenzug
Danach erfolgt die Segnung durch einen Priester oder einen Voodoo-Priester und es findet ein Leichenzug zum Friedhof statt. Bei diesem wird der Sarg mit dem Toten von den Angehörigen vorausgetragen und alle anderen folgen diesem. Die Zeremonie und der Trauerzug sind von viel Musik und Gesang untermalt.
In Westafrika gibt es keine Totenverbrennung, das würde der Tradition nicht entsprechen, dass der Tote bzw. sein Geist weiterhin ein «Zuhause» braucht. Zudem soll es für die Angehörigen einen Ort geben, an dem sie sich immer wieder versammeln können, um mit dem Toten zu sprechen.
Bestattung
Nachdem die Gäste die bunten Tücher von dem Sarg entfernt haben, wird dieser ins Grab gelassen. Die Freunde und Bekannte des Toten schaufeln das Grab anschliessend zu, denn die engen Angehörigen sollen an diesem Tag entlastet werden.
Essen, Musik & Tanz
Nach der Bestattung ist die Trauerfeier nicht zu Ende. Essen, Gesang und Tanz stehen nun auf dem Plan. Die Nachbarn aus dem Dorf helfen bei der Vor- und Zubereitung des Essens. Der oder die Tote wird gefeiert und geehrt. Diese Nachfeier der Beerdigung kann sich über zwei Tage erstrecken.
Kleidung und Erinnerungen
Bei den Trauerfeiern wird in der Regel schwarz und weiss getragen. Manchmal tragen Angehörige auch Shirts mit einem Foto-Aufdruck des Verstorbenen, um besonders an ihn zu erinnern.
Nach der Trauerfeier gibt es häufig auch ein Album, in dem sich viele Fotos der verstorbenen Person befinden.
Immer weniger Platz auf den Friedhöfen
Für Afrikaner ist es unvorstellbar, dass das Grab des Verstorbenen eines Tages aufgelöst wird, wie es bei uns der Fall ist. Der Geist benötigt seine eigene Ruhestätte für immer und entsprechend bleiben auch alle Beerdigten für immer in ihrem Grab. Auch die Zusammenführung von Familien zu Familiengräbern ist unüblich. Dadurch entsteht ein immer grösseres Problem: Auf vielen Friedhöfen herrscht Platzmangel aufgrund der vielen Beerdigungen und Gräber.
Der Tod ist teuer
Eine Beerdigung ist in Westafrika, so wie bei uns, mit hohen Kosten verbunden. Der Sarg, die Zeremonie, der Priester, das Essen, die Todesanzeigen auf den Plakaten, die Musik, das Totengewand – all dies bedeutet hohe Kosten. Eine Beerdigung kostet somit schnell ca. 700 Franken und hat nach oben hin keine Grenzen. Viele Familien können sich eine so teure Feier nicht leisten und verschulden sich sehr hoch, um die Trauerfeier ausrichten zu können.
Die Familien fangen sehr früh an in die «Sterbekasse» einzuzahlen und sagen sich, «lieber habe ich Geld für die Beerdigung, als für Essen». Dies ist ein ernstzunehmendes Problem, denn durch die vielen Todesfälle in Afrika aufgrund chronischer, nicht behandelter Krankheiten, gibt es entsprechend viele Beerdigungen.
Doch eine angemessene Beerdigung bzw. Trauerfeier ist unumgänglich. Der tote Geist könnte sich an ihnen rächen, wenn der Verstorbene keine gebührende Feier erhält. Dieses Risiko möchte keiner eingehen.
Der Tod ist allgegenwärtig
Anders als in unserer Kultur ist der Tod in Westafrika eng mit dem Leben verknüpft. Es wird früh für die Trauerfeier gespart, die Voodoo-Anhänger leben sogar für den Tod: In ihren Augen ist es der höchste Sinn des Lebens, eines Tages zum Schöpfergott aufzusteigen. Daher sind sie täglich mit dem Tod beschäftigt, denn nach ihrer Überzeugung lebt ihr Geist lebt nach dem körperlichen Tod weiter.
Der Umgang mit dem Tod und die ständige Beschäftigung damit können etwas Positives bewirken: Eine innere Ausgeglichenheit und eine Art Trost entstehen. Man macht seinen Frieden mit sich selbst, denn man weiss und akzeptiert, dass das Leben endlich ist. Der Glaube an Wiedergeburt gibt Hoffnung und sorgt dafür, dass die Angst vor dem Tod sich verkleinert.
Deshalb wird der Tod nicht verschwiegen oder als grosses, unbekanntes, angsteinflössendes und abstraktes Thema angesehen. Die Trauernden feiern den Tod ihres geliebten Menschen und wissen, dass dieser nach der Trauerfeier immer in ihrer Nähe ist.
Der Tod bestimmt das Leben
So schön und offen der Umgang mit dem Tod aus dieser Sichtweise auch sein mag, darf man dabei nicht vergessen, dass er dadurch auch das Leben der Westafrikaner bestimmt. Er sorgt für hohe Schulden vieler Familien und wird durch die in unseren Augen skurrile Interpretation der bösen Geister auch zum Verhängnis: viele Todesfälle wären vermeidbar, wenn eine kranke Person rechtzeitig eine entsprechende Behandlung erhielte. In diesem Fall stehen sich Tradition und Schulmedizin häufig noch im Weg.